Beschlussvorlage - BV/2021/0639
Grunddaten
- Betreff:
-
Positionspapier zur Stadt der Zukunft – „Grünes und Lebendiges St. Ingbert“
- Status:
- öffentlich (Vorlage freigegeben)
- Vorlageart:
- Beschlussvorlage
- Federführend:
- Wirtschaftsförderung (05)
- Bearbeiter:
- Miriam Wunn
- Beteiligt:
- Wirtschaftsförderung (05)
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschlussart | NA |
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●
(nicht gesetzt)
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Stadtentwicklungs-, Biosphären-, Umwelt- und Demographieausschuss
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Vorberatung
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(nicht gesetzt)
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Stadtrat
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Entscheidung
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29.04.2021
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Erläuterung
Die Coronapandemie und der damit verbundene Lockdown des Einzelhandels und der Gastronomie treffen die Innenstädte in ganz Deutschland schwer. Dabei sind vitale Ortszentren, so auch in St. Ingbert, Herz und Pulsschlag der Kommune. Die St. Ingberter Innenstadt, die "gute Stube", ist Aushängeschild, Treffpunkt und Schmelztiegel für rund 35.000 Einwohner und ihre Besucher. Durch einen gesunden Branchenmix bietet die Innenstadt Raum und Erlebnisse für ihre Gäste.
Die Entwicklung, dass immer mehr Menschen am Computer ihre Waren bestellen und sich diese nach Hause liefern lassen, wurde durch die pandemische Lage bestärkt. Die Folgen daraus sind insbesondere für den stationären Einzelhandel fatal: Umsatzrückgang im Einzelhandel führt zur Geschäftsaufgabe. Schaufenster im Stadtkern bleiben leer, Einkaufsstraßen veröden. Die Stadt verliert an Leben, Qualität und Flair. Die "gute Stube" verwahrlost.
Die Herausforderung liegt darin, starke Impulse zu setzen, um die Innenstadt zu beleben. Chancen bringt die Leitidee "Lebendiges und Grünes St. Ingbert" – eine Stadt der Zukunft, im Kern mit einer vitalen und attraktiven Innenstadt, in der Menschen einkaufen, wohnen, sich wohlfühlen. Mit der Ansiedlung des CISPA Innovation Campus ist es gelungen, einen Grundstein in St. Ingbert für die wirtschaftliche Entwicklung zu legen. Mit der Erschließung des Geländes der "Alten Schmelz" entsteht neuer Raum für Ausgründungen und Ansiedlungen innovativer Betriebe im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie, der Informationssicherheit und der künstlichen Intelligenz.
Für die innerstädtische Entwicklung in St. Ingbert gilt es Trends (kurzfristige Entwicklungen, sog. "Modeerscheinungen") und Megatrends (epochale Entwicklungen, deren Auswirkungen sich langfristig in sämtliche Lebensbereiche übertragen lassen) zu unterscheiden. Dazu wurden verschiedenen Handlungsfeldern kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen zugeordnet. Diese müssen gemeinsam mit allen Akteuren vor Ort umgesetzt werden, um das Herz der Stadt nachhaltig zu stärken und einen prognostizierten Kollaps abzuwenden.
5-Punkte-Programm zur Umsetzung kurzfristiger Maßnahmen:
- Schneller ins Stadtzentrum – kostenloses Parken und Verkehrsanpassungen im Innenstadtbereich
Besucher der Innenstadt kommen aktuell vorwiegend mit privaten Verkehrsmitteln an. St. Ingbert, als Stadt der kurzen Wege, verfügt über ein gutes Parkplatzangebot. Die Ad-hoc-Maßnahme, Parkgebühren dauerhaft durch eine Parkscheibenregelung zu ersetzen, ermöglicht dem Besucher kostenloses Parken auf städtischen Flächen im Stadtgebiet. Händler haben insbesondere durch den Lockdown den Verkauf ihrer Waren mit einem Onlineangebot erweitert, das es ermöglicht online einzukaufen und vor Ort ihre Waren im Geschäft abzuholen ("Click & Collect"). Die Stärkung dieses Angebots muss durch die Schaffung zentrumsnaher Kurzzeit-Parkplätze (Abhol-Parkplätze) erfolgen (unter Berücksichtigung der Parkraumstrategie als Teil des städtischen Mobilitätskonzepts).
Durch die parallele Entwicklung alternativer, individueller Mobilitätsangebote ohne fossile Brennstoffe, wird eine neue Zielgruppe angesprochen. Insbesondere nimmt das Verkehrsvolumen von Fahrrädern und anderen Fortbewegungsmitteln der Nahmobilität wie bspw. Roller kontinuierlich zu. Den Verkehrsteilnehmern muss der Zugang in die Innenstadt durch die Installation moderner Fahrradabstellanlagen mit Elektroladesäulen und Service-Station attraktiver gestaltet und damit erleichtert werden.
- Mehr Leben ins Stadtzentrum – Genehmigungsverfahren und Sondernutzungen
Sondernutzungen auf Flächen der Innenstadt für Handel, Gastronomie, Kunst und Kultur (bspw. Außenbestuhlung und –verkauf, Erlassung von Nutzungs- und Verwaltungsgebühren) müssen vereinfacht werden. Dazu sollen Entgelte für die Sondernutzung von Flächen der Innenstadt bis Jahresende ausgesetzt werden. Eine weitere Maßnahme ist, Genehmigungsverfahren für Neuansiedlungen (insbesondere Gastronomie) zu vereinfachen. Hierfür werden unter anderem Anliegen und Fragen von Betreibern und Interessenten priorisiert geprüft und bearbeitet.
Jenseits von Corona haben sich die nach den Vorgaben der Marktordnung abzuhaltenden vier Krammärkte (Lichtmess-, Oster-, Johannis- und Kirmesmarkt) als attraktivitätssteigernder Frequenzbringer für die Fußgängerzone erwiesen. Die weitere Öffnung des Wochenmarktes für Essensstände und Kunsthandwerk wird unterstützt ("Viktualienmarkt").
- Steigerung der Aufenthaltsqualität – Optische Aufwertung des Stadtbildes
Innenstädte sind Orte der Begegnung und der Kommunikation mit Menschen. Besucher erwarten ein Ambiente zum Wohlfühlen. Der öffentliche Raum muss daher durch eine ansprechende Bepflanzung und verbesserter Möblierung aufgewertet werden. Hierzu eignen sich nicht nur Baumpflanzungen als Gestaltungselement und potentielle Schattenspender, sondern auch ansprechende Staudenpflanzungen, welche durch ihre Farbenpracht nicht nur eine optische Aufwertung, sondern als Nahrungsquelle für Insekten im urbanen Raum auch eine ökologische Aufwertung darstellen. Eine Verschönerung von Ruhe- und Verweilzonen, die eine angenehme Atmosphäre schaffen, soll geprüft werden. Sauberkeit spielt eine weitere zentrale Rolle. Die Einführung einer erkennbaren "Müllfeuerwehr" übernimmt die Aufgaben zur Gewährleistung einer sauberen Innenstadt. Große, bereits geplante Tiefbaumaßnahmen im Bereich der Fußgängerzone werden vorerst nach Möglichkeit nicht umgesetzt, um negative wirtschaftliche Beeinträchtigungen der Händler zu vermeiden (Ausnahmen stellen nicht aufschiebbare Instandhaltungsmaßnahmen, wie bspw. Gasleitung dar).
- Lebendiger Handel und Gastronomie – Wirtschaftsförderung
Das bestehende Leerstands- und Vitalisierungsmanagement in der Innenstadt wird weiterhin fortgeführt. Neue Impulse werden durch die Etablierung eines sogenannten "Pop-Up"-Geschäfts gesetzt. Im Rahmen dieses Geschäftsmodells ist es unter anderem vorstellbar, Direktvermarktern eine Präsenzmöglichkeit zu schaffen, ihre Angebote / Produkte zeitlich begrenzt in der Innenstadt zu vermarkten. Eine dauerhaft wechselnde Inszenierung bringt kontinuierlich neue Angebote und damit eine erhöhte Besucherfrequenz in die Innenstadt. Aufgrund des Messecharakters von "Pop-Up"-Stores bleibt für die Besucher das Angebot in der Innenstadt lebendig.
- Frequenzbringer – Digitalisierung und Marketing
Die Digitalisierung hat durch Corona einen kräftigen Schub erhalten und verändert den Alltag signifikant. Der Wandel der Innenstadt muss daher auch mit der Digitalisierung Hand in Hand gehen. Der Auf- und Ausbau digitaler Angebote, wie bspw. ein gemeinsamer Onlineauftritt der auch der Aufbau einer modernen Lokalwährung in Form des Stadtgutscheins, sind für eine zukunftsorientierte Positionierung der Innenstadt von zentraler Bedeutung. Um nachhaltige Strategien umzusetzen muss der Bereich Marketing und damit die Rolle und das Profil der Stadtmarketing gGmbH angepasst und geschärft werden. Zudem ist eine zielgruppenorientierte Bewerbung von Angeboten und Veranstaltungen mittels digitaler Werbe- und Marketinginstrumente erforderlich.
Programm zur mittel- und langfristigen Umsetzung von Maßnahmen für ein "Lebendiges und Grünes St. Ingbert"
- Leben und Wohnen
Die Ausweisung einfacher Sanierungsgebiete ermöglichen Eigentümern Steuervorteile für die Aufwertung ihrer Immobilien. Voraussetzung hierfür ist die Schlussabrechnung der bestehenden Sanierungsgebiete. Dabei wird geprüft, ob angesichts der besonderen Herausforderung durch Corona die Eigenbeträge der Anlieger, die z.T. über 30 Jahre alt sind, erlassen werden können. Neben der Erfassung und Vermarktung von Wohnraum im Bestand durch privatwirtschaftliche Unternehmen, soll zudem neuer Wohnraum geschaffen werden. Durch die Stärkung der Wohnfunktion in der Innenstadt gewinnen Einzelhandel und Gastronomie an Frequenz. So soll das Gelände der ehemaligen WVD-Druckerei zu einem zentralen innerstädtischen Wohnquartier für alle Bevölkerungsschichten entwickelt werden. Eine weitere städtebauliche Entwicklung soll auf dem Areal des Alten Hallenbades stattfinden. Eine Wohnanlage bietet dort die Möglichkeit zur Schaffung innerstädtischem Wohnraum. Die Umnutzung von Gewerbe- zu Wohnflächen findet sich aktuell am Beispiel der Woolworth-Immobilie.
- Verkehr
Langfristig muss zur Stärkung der individuellen Fortbewegungsmittel ohne fossile Brennstoffe die Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur im Innenstadtbereich qualifiziert und ausgebaut werden. Durch eine einspurige KfZ-Verkehrsführung in der Poststraße in östliche Richtung, sollte im verbleibenden Straßenraum ein Radweg installiert werden. Die Aufenthaltsqualität wird durch die Einführung einer Tempo 20-Zone für KfZ in der Poststraße nochmals gesteigert. Die Straße qualifiziert sich folglich auch als Wohnstandort und ihre derzeitige „Barrierewirkung“ wird aufgehoben.
Die Innenstadt muss vielen Nutzungsansprüchen gerecht werden. Die Fußgängerzone und in Teilen auch der verkehrsberuhigte Geschäftsbereich der Kaiser- und Rickertstraße sind der Ankerpunkt. Hier ergeben sich verstärkte Gestaltungsmöglichkeiten für den öffentlichen Raum und eine gerechtere Verteilung von öffentlichen Flächen. Eine Weiterentwicklung der Innenstadt, ausgehend von der Fußgängerzone, und damit die Steigerung der Qualität im öffentlichen Raum erfährt auch Unterstützung im Einzelhandelskonzept. Hier sollte die konzeptionelle Entwicklung des Innenstadtbereichs insbesondere die Belange der Nahmobilität (Fuß- und Radverkehr) berücksichtigt werden.
- Leben und Erleben
Besucher von Innenstädten erwarten ein Ambiente zum Wohlfühlen und sind erlebnisorientiert. Nicht ausschließlich der Einzelhandel bestimmt maßgeblich, wie attraktiv St. Ingbert wahrgenommen wird. Wichtig für den Erlebniswert sind Sehenswürdigkeiten sowie Freizeit- und Kulturangebote. Insbesondere die Fertigstellung der Alten Baumwollspinnerei wird hierzu weiter forciert.
- Digitalisierung
Viele Händler halten im aktuellen Corona-Lockdown ihr Geschäft mit klugen Konzepten zumindest teilweise aufrecht, zum Beispiel mit Online-Kaufberatungen, Liefer- und Abholservices. Eine Bewegung, deren Erfolg auf die Einzelhändler zum Teil übertragbar ist. Der smart city-Gedanke, die Vernetzung unterschiedlicher Angebote, muss für St. Ingbert, insbesondere als CISPA-Standort, weiterentwickelt werden.
- Finanzierung
Die Bemühungen, ein vom Land und Bund finanzierter Innenstadtfond, der Maßnahmen und Konzepte zur Belebung der Innenstädte fördert, werden unterstützt.
Im Stadtentwicklungs-, Biosphären-, Umwelt- und Demographieausschuss am 15.04.2021 wurde der Vorlage mit einer Enthaltung zugestimmt. Die gewünschten Ergänzungen wurden in der beigefügten tabellarischen Auflistung aufgenommen (gelb hinterlegt).
Anlagen
Nr. | Name | Original | Status | Größe | |
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136,7 kB
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