Beschlussvorlage - BV/2021/0587

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Die Verwaltung wird ermächtigt, auf Antrag ihren gewerblichen Mietern

1. denen die Gewerbeausübung aufgrund rechtlicher Verbote in der Corona-Situation ganz oder teilweise untersagt war und

2. die sich aufgrund der Corona-Situation nachweislich in einer wirtschaftlichen Notsituation befinden und bereits alle anderen zur Verfügung stehenden Hilfspakete von Bund und Land ausgeschöpft haben, die Kaltmiete bis zu 100 % zu erlassen.

3. die 4 Monatsmieten nach Wiedereröffnung zu 50 % zu erlassen.

 

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Erläuterung

Für Gewerbemiet- und Pachtverhältnisse, die von staatlichen Covid-19 Maßnahmen betroffen sind, wird künftig gesetzlich vermutet, dass die Einschränkungen ein Umstand im Sinne von § 313 BGB sind, der zu einer Anpassung des Mietvertrages unter dem Gesichtspunkt einer Störung der Geschäftsgrundlage führen kann. Eine weitere vom Bundestag beschlossene Gesetzesänderung sieht vor, dass Mietprozesse im Zusammenhang mit Corona bedingten Beschränkungen oder Schließungen vorrangig behandelt und eine Anpassung des Mietverhältnisses auf Wunsch des Mieters thematisiert werden muss.

Zu dem jetzigen Zeitpunkt liegt der Verwaltung bereits die Aufforderung eines Mieters vor, die Kaltmiete für die betroffenen Monate des Lockdowns um 50 % zu reduzieren. Auch fordert der Mieter eine rückwirkende Anpassung der Miete auf den vorangegangenen Zeitraum im Frühjahr 2020. Dies schließt die Verwaltung allerdings aus, da die Neuregelung gemäß Art. 14 Abs. 2 des Gesetzes vom 22.12.2020 am 31.12.2020 erst in Kraft trat und es bereits Corona-Hilfen für städtische Gewerbemieter durch den Stadtratsbeschluss RAT/2020/03 gab.

Die Verwaltung möchte vermeiden, dass nun künftig vermehrt Gerichtsverfahren auf Sie zukommen und strebt eine einheitliche Vorgehensweise für alle Anfragen im Zusammenhang mit der aktuellen Gesetzesänderung des Bundestages an.

Ein Automatismus, dass Gewerbemieter bei Corona bedingten Maßnahmen eine Reduzierung der Miete oder eine sonstige Vertragsanpassung verlangen können, ist mit der Neuregelung allerdings nicht verbunden. Die Verwaltung schlägt daher vor, dass der Mieterlass nur auf Antrag des Mieters erfolgt.

Auch nach der gesetzlichen Neuregelung muss ein Mieter daher darlegen und beweisen, dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten und dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Die Umsatzzahlen der betroffenen Monate sowie Vergleichszahlen vorangegangener Jahre dürfen daher auf Forderung von der Verwaltung eingesehen werden um die Rechtmäßigkeit des Antrages zu überprüfen.

Nachfolgend aufgeführt ist die Stellungnahme des Justitiariates vom 14.01.2021:

Der Mieter der obigen Gewerbefläche möchte aufgrund der pandemiebedingten Betriebsverbote im Einzelhandel seine für diese Gewerbefläche geschuldete Miete reduzieren und schlägt hierzu eine Reduzierung der Bruttomiete (einschließlich der Nebenkosten) um 50 % vor, beginnend ab dem 01.01.2021. Zusätzlich vertritt er die Auffassung, er habe für Dezember 2020 durch die Zahlung der vollen Bruttomiete "jedenfalls 25 % zu viel gezahlt".

Er schlägt eine "Gesamteinigung" vor, in der auch eine Regelung für den ersten Lockdown im Frühjahr 2020 und etwaige weitere staatliche Maßnahmen ab Februar 2021 enthalten wären.

In diesem Fall wäre er bereit, lediglich die Nettomiete auf 50 % zu reduzieren und die geschuldeten Nebenkostenanteile "auch weiterhin in voller Höhe zu entrichten".

Zur Begründung bezieht er sich auf das "Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht" vom 22.12.2020 (BGBl I S. 3328 ff.), dessen Art.10 eine Ergänzung des Art. 240 EGBGB um einen § 7 enthält.

Dort heißt es: "Sind vermietete (…) Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat."

In § 313 Absatz 1 bis 3 BGB sind die Voraussetzungen der sogenannten Störung der Geschäftsgrundlage (früher: "Wegfall der Geschäftsgrundlage") definiert. Dabei handelt es sich um eine unvorhergesehene, schwerwiegende Veränderung des zur Grundlage des Abschlusses des Mietverhältnisses gemachten Umstands, bei dem die Vertragsparteien – hätten sie diesen Umstand vorausgesehen – das Rechtsgeschäft nicht oder nur mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätten, so dass das Festhalten an dem Vertrag einer der Parteien nunmehr nicht mehr zumutbar ist. Durch die jetzige Gesetzesänderung wird gesetzlich vermutet, dass sich durch die Corona-Pandemie ein solch wesentlicher Umstand schwerwiegend verändert hat.

Liegen also die Voraussetzungen des § 313 BGB und der gesetzlichen Neuregelung vor, so wird vermutet, dass dies ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 BGB ist, der dem Vertragspartner einen Anspruch auf Vertragsanpassung gibt, soweit dies dem anderen Vertragspartner zumutbar ist.

Rechtsfolge der Störung der Geschäftsgrundlage bleibt aber wie auch zuvor im Bereich des § 313 BGB die Interessenabwägung im Einzelfall, denn die Partei, die eine Anpassung des Vertrages möchte, muss nach wie vor darlegen können, dass das Festhalten am unveränderten Vertrag für sie unzumutbar ist.

Maßgebliche Faktoren der Unzumutbarkeit im Einzelfall sind dabei:

  • Die konkrete wirtschaftliche Situation
  • Der Umfang der erlittenen Umsatzeinbußen
  • Die Höhe und der Zeitpunkt von staatlichen Hilfen

Entscheidend sind die wirtschaftlichen Folgen einer Vertragsanpassung sowohl für den Mieter als auch für den Vermieter im Einzelfall.

Im Ergebnis dürften die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung durch Mietminderung hier für die Zeiten der Corona bedingten Betriebsverbote vorliegen, es ist aber Folgendes zu beachten:

1)     Im Gesetz gibt es keine konkret bestimmte Höhe der Mietminderung, diese ist vielmehr immer eine Einzelfallvereinbarung unter Berücksichtigung der vorgenannten drei Punkte.

2)     Die Neuregelung trat gemäß Art. 14 Abs. 2 des Gesetzes vom 22.12.2020 am 31.12.2020 in Kraft. Daraus folgt, dass eine rückwirkende Anwendung für den ganzen Monat Dezember 2020 ausscheidet, desgleichen gar für den Zeitraum des ersten Lockdowns 2020. Für diesen verbleibt es bei der bisherigen Regelung durch den Stadtrat.

3)     Auch eine Regelung ab dem 01.01.2021 bedarf eines entsprechenden Ratsbeschlusses, da es kein Geschäft der laufenden Verwaltung ist, die Stadt im Ergebnis auf Einnahmen verzichtet und die städtischen gewerblichen Mieter in jedem Fall gleichbehandelt werden müssen (natürlich nur, soweit der jeweilige Sachverhalt vergleichbar ist).

Es sollte dem Mieter mitgeteilt werden, dass eine Einigung, wie er sie in seinem Schreiben dargestellt hat, erst erfolgen kann, wenn der Stadtrat die Modalitäten dafür beschlossen hat.

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