07.12.2017 - 6 Neufestlegung der Kalkulationsgrundsätze im Rah...

Beschlussart:
ungeändert beschlossen
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Protokoll:

 

Der Vorsitzende informiert über die vor der Sitzung erfolgte Bürgerin­fo­rna­tions­ver­an­staltung zur Abwassergebührenthematik. Rund 10 Bürger seien intensiv informiert worden und hätten sich auch über den Zustand der Kanäle per Videofilm informieren können.

 

Sodann übergibt der Vorsitzende das Wort an den kaufm. Leiter des Eigenbetriebes Abwasser (EBA), Herrn Detemple, welcher eine neue Kalkulation erstellt habe. Zunächst führt dieser aus, dass er zuerst die vom Werksausschuss beschlossene Variante der Gebühren­kalkulation erläutern werde. Die dort beratene und beschlossene Kalkulation beinhaltete für den Zeitraum (2012 – 2022) Investitionen von 43 Mio. EUR, welche über Kredite zu finanzieren seien. Das Ist-Ergebnis des Betriebes schließe im Jahr 2015 mit einem Verlust von 120 TEUR ab, wobei die voraussichtlichen Ergebnisse in 2016 mit rund 230 TEUR und 2017 mit rund 538 TEUR als Defizit abschließen werden.

 

Die Defizite in den Jahren 2015/2016 können über sogenannte Gewinnvorträge ausgeglichen werden (rund 660 TEUR Gebührenüberdeckungen aus Vorjahren). Jedoch reichten dies "Reserven" nicht aus, das Defizit des Jahres 2017 auszugleichen und würden zu einem sogenannten Verlustvortrag führen. Dies jedoch schließt das Gesetz bei Eigenbetrieben aus, so dass korrigierend gehandelt werden müsse. Der Gesetzgeber lässt hier seit dem Jahre 2014 verschiedene Varianten zu. Insbesondere sei der Gesetzgeber einer Resolution des Stadtrates St. Ingbert vom 24.05.2012 gefolgt, welche forderte, die Kalkulationsgrundsätze so zu ändern, dass bei den Abschreibungen nicht nur die Anschaffung- und Herstellungskosten in Ansatz zu bringen sind, sondern vielmehr Abschreibungen auf Basis von Wieder­beschaf­fungskosten zuzulassen. Dies war vor Inkrafttreten des EVS-Gesetzes im Jahre 1998 bereits angewandte Praxis. Hintergrund war damals das Erkennen, dass eine Abschreibung auf Basis der Anschaffungskosten zwangsläufig zu einer Anhäufung eines immensen Schuldenberges für nachfolgende Generationen führen werde.

 

Die aktuellen Gebühren (Abwasser 3,03 € und Niederschlagswassergebühr 0,60 €) seien seit 01.01.2012 konstant geblieben. Insoweit bestehe erstmalig die Möglichkeit, von der Neuregelung der Gebühren Gebrauch zu machen. Die Investitionen in den Jahren 2018 – 2020 belaufen sich auf rund 2,1 Mio. EUR. Die Abschreibung sowie die erwirtschaften Überschüsse müssen den Tilgungsaufwand zumindest decken. Bei unveränderter Gebührenstruktur reichen diese Beträge nicht aus, um die Tilgungen zu entrichten. Im Anschluss erläutert Herr Detemple detailliert die sich ergebenden 4 Kalkulationsvarianten inklusive neu vorgestellten und erläuterten sogenannten <Zwischenvariante>

 

Der Stadtratsbeschluss aus dem Jahre 2012 sprach von einer sukzessiven Anpassung der Gebühren, so dass verschiedene Berechnungsmöglichkeiten möglich seien.

 

Hiernach ergäben sich folgende Gebührensätze:

 

Kalkulationsmethode

Schmutzwasser­gebühr

Niederschlagswasser­gebühr

Aktuelle Gebühren

3,03 €

0,60 €

Zwischenvariante

3,23 €

0,73 €

Arithmetisches Mittel

3,41 €

0,82 €

Maximalvariante (unter ausschließlich­er Berück­sichtigung der Wieder­herstel_lungs_kosten)

3,64 €

0,93 €

Anschaffungskosten (unter ausschließlich­er Berücksichtigung der Anschaffungs­kos­ten)

3,19 €

0,72 €

 

FV Körner bedankt sich für die umfangreichen Ausführungen und bestätigt, dass sich der Ausschuss in intensiver Beratung mit der Thematik beschäftigt habe. Klar sei auch, dass die Gebühren nachhaltig gestaltet werden müssten, jedoch seien parallel etliche Erhöhungen angedacht, so dass sich die Frage stelle, was inwieweit noch zumutbar sei. Viele Fragen zum Zustand der Kanäle, zum Investitionsbedarf seien in der Vergangenheit nicht in der Weise gewertet und gewürdigt worden, wie dies hätte der Fall sein müssen. All dies könne nicht durch einen sprunghaften Anstieg der Gebühren auf die Bürger übertragen werden. Insoweit müsse zunächst die entstandene Finanzlücke korrigiert werden, um zukünftig in einer linearen Anpassung weiterzudenken. Die Zahl der anwesenden Bürger bei der Info-Veranstaltung sei nicht so sehr aussagekräftig, denn bei einem sprunghaften Anstieg der Gebühr würde Ende Januar 2018 nach Erhalt der Steuerbescheide ein stärkeres Echo ertönen.

 

BG Adam Schmitt wirft ein, dass der Entsorgungsverband Saar (EVS) noch immer auf der Grundlage der Anschaffungskosten kalkuliere. Bereits seit 2008 habe St. Ingbert angefangen, verstärkt in die Abwasserkanäle zu investieren, um den Sanierungsstau abzubauen. Weiterhin sei hier eine kontinuierliche Erhöhung der Gebühren erforderlich (ab 2021), damit die Innenfinanzierung steige und die Gebühren generationengerecht erhoben würden.

 

FV Meier verweist auf die Beratungen im Ausschuss und die technischen Ausführungen während der Bürgerinformationsveranstaltung. Die Notwendigkeiten und der Sanierungsbedarf sei gegeben und man müsse generationengerecht investieren. Auch innerhalb der Fraktion habe man intensiv mit der Überlegung gerungen, inwieweit ein hoher Anstieg der Gebühren (Maximalvariante) erforderlich sei. Insoweit sei er erfreut, dass die Verwaltung nun verschiedene Gebührenmodelle kalkuliert habe. Die moderate Erhöhung sei erforderlich und könne mitgetragen werden.

 

FV Dr. Breinig dankt für die Informationsveranstaltung und betont die Wichtigkeit dieser Information für die Bürgerinnen und Bürger. Es sei klargestellt worden, wozu das Geld verwendet werde und warum es notwendig sei, die Gebühren anzuheben. Innerhalb der nächsten 10 Jahre würden 43 Mio. EUR investiert, so dass man auch das Auftreten von Straßeneinbrüchen aufgrund defekter Kanäle minimieren werde. Das Risiko steigender Zinsen sei bereits bei Resolutionsfassung bekannt gewesen, jedoch gehöre zur Umsetzung noch eine weitere Komponente, nämlich die der sukzessiven Anpassung, so dass die Kalkulation ausschließlich auf Basis der Beschaffungswerte fiskalisch zwar wünschenswert, aber nicht generationengerecht sei. Aufgrund der zeitgleich stattfindenden Erhöhung der Grundsteuer, müsse eine moderate Erhöhung erfolgen. Der vorliegende Vorschlag sei zwar nicht der optimalste, jedoch der sozialverträglichste für die Bürgerinnen und Bürger, so dass seine Fraktion zustimmen werde.

 

SM Schweitzer beklagt die Musterrechnung der Werkleitung (3-Personen-Haushalt). Insbesondere die älteren Bürger seien hier betroffen, da sie als 1-Personen-Haushalt mit größeren Grundstücksflächen überproportional belastet würden.

 

SM Gaa zitiert eine E-Mail vom 20. November 2017, wonach die Sitzung des Aus­schus­ses für Finanzen, Wirtschaft und Biosphäre entfallen würde, da mit Aus­nah­me eines Antrages keine Punkte zur Beratung anstehen würden. Man diskutiere hier und heute um Millionenbeträge, welche den städt. Haushalt beträfen. Hier sei nur der zuständige Werksausschuss, nicht aber der Finanzausschuss mit der Thematik befasst worden. Überrascht zeigt er sich über die Vorlage, da noch im Oktober keinerlei Information über die geplanten Erhöhungen kommuniziert worden seien. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass dem Eigenbetrieb die Defizite der Jahre 2015/2016 bekannt waren, sei eine derart späte Beratung und Unterrichtung der Gremien nicht zu tolerieren. In diesem Zusammenhang verweist SM Gaa auf das Jahr 2012, da damals die Erhöhung rückwirkend zum 1. Januar beschlossen wurde. Nach der maßvollen Erhöhung ergibt sich ein Jahresüberschuss von 318 TEUR, im Falle der vorgeschlagenen Erhöhung gar ein Überschuss von 1,14 Mio. EUR. Er werde die moderate Erhöhung in jedem Falle mittragen.

 

FV Trittelvitz zeigt sich erfreut über den nun vorliegenden Beschlussvorschlag mit einer, im Gegensatz zum ursprünglichen Beschlussvorschlag, angemessenen Anpassung der Gebühren. Er gehe weiterhin davon aus, dass bei der Bewertung des Kanalsystems auch im Detail abgewogen werde, welche Maßnahmen dringend umzusetzen seien und welche aufgrund Art und Umfang erst in einem zweiten bzw. dritten Umsetzungsprozess realisiert werden müssten. Seine Fraktion werde aufgrund der neuen Kalkulation dem Vorschlag zustimmen.

 

FV Berthold verweist auf einen bisher nicht genannten Aspekt, denn die Sanierung des Kanalsystems und dessen Neubau sei nachhaltiger Umweltschutz in Form von Grundwasser- und Trinkwasserschutz. Die vorgestellte neue Gebührenkalkulation sei vor diesem Hintergrund vertretbar und seine Fraktion stimme dem Verwaltungsvorschlag zu.

 

FV Körner erkundigt sich nach dem aktuellen Stand der Sanierungen im 250 km langen Kanalnetz der Stadt und hier insbesondere nach dem Zeitpunkt der Komplettsanierung.

 

Der technische Leiter des Eigenbetriebes Abwasser, Herr Fettig, erläutert, dass es sich um einen fortlaufenden Prozess handele, bei dem nie der Zeitpunkt einer "Fertigstellung" eintrete. Vielmehr müsse man sich bildlich vorstellen, dass man dann, wenn man am Ende angekommen sei, wieder vorne anfangen müsse. Dies sei dem Umstand geschuldet, dass man bei Abwasseranlagen mit einer nutzungsbedingten Lebensdauer rechnen müsse, der eine Sanierung folgen müsse. Die heute gebauten Kanäle würden länger halten als die, welche gerade saniert werden. Massive Probleme machen derzeit die Kanäle, die vor 1970 und vor 1960 gebaut wurden. Es existieren noch Kanäle aus den 30-iger Jahren, deren Qualität sich deutlich von denen abhebt, die in den 50-iger und 60-iger Jahren des letzten Jahrhunderts gebaut wurden.

 

Nach dem Krieg wurden sehr viele Wohngebiete erschlossen und viele Kanäle gebaut. Hier bestehe nach Einschätzung des techn. Werkleiters ein hoher Sanierungsbedarf, so dass in den nächsten 20 Jahren rund 80 km Kanalnetz saniert werden müssten. Die Umsetzung sei jedoch in vorgenanntem Zeitraum nicht zu schaffen. Daher werde individuell geplant und gebaut. Dies bedeute, dass Kanäle nicht einfach geöffnet und ausgetauscht würden, sondern mit Robotertechnik Reparaturen ausgeführt würden und auch neue Techniken zum Einsatz kämen. Diese werden auch dort eingesetzt, wo man Bauwerke aktuell erhalten und zu einem späteren Zeitpunkt erst generalsanieren müsse.

 

SM Schweitzer erkundigt sich, ob ein Kanalkataster existiere. Der technische Werk­leiter bejaht die Frage und erläutert, dass dieses, ergänzt um die neuesten Zustands­daten -durch Verfilmung- Arbeitsgrundlage für die zukünftigen Sanierungsarbeiten sei.

 

BG Adam Schmitt bedankt sich für die gute Arbeit des EBA und merkt an, dass dieser im Saarlandvergleich eine Spitzenposition gegenüber dem EVS einnähme. Insbesondere die Finanzlage stelle sich hier besser dar. Im Vergleich zu anderen Kommunen sei das Kanalnetz St. Ingberts in einem weitaus besseren Zustand. Weiterhin sollte mehr für die Regenwasserentflechtung geworben werden und im Übrigen sollte eine Beratungsstelle eingerichtet werden, welche private Hausanschlussbesitzer dahingehend beraten soll, damit diese ihre Anschlüsse an den Stand der Technik anpassen könnten.

 

SM Schweitzer bedauert, dass nach der zweimonatigen Abwesenheit des BG Adam Schmitt, erneut von diesem die "EVS-Phobie" in den Redebeiträgen zutage käme. Weiterhin merkt sie an, dass der EVS 1.000 km Hauptsammlerleitungen verwalte und nicht mit St. Ingbert vergleichbar sei. Sie bittet darum, dass sich der Vorgenannte doch einmal in seinen Äußerungen diesbezüglich zurücknehmen möge, also bei den Sachthemen bleibe und nicht immer wieder den EVS negativ nennen solle. "Es wird langweilig, es wird langsam peinlich und wenn das so weitergeht, würde ich mich einmal untersuchen lassen".

 

Der Vorsitzende lässt keinen weiteren Wortbeitrag des BG Schmitt zu und erteilt diesem, nachdem er diesem nicht folgt, einen ersten Ordnungsruf.

 

FV Dr. Breinig moniert in diesem Zusammenhang, dass der Vorsitzende Rats­mit­glie­der, die andere Ratsmitglieder beleidigten, nicht zur Ordnung rufe, aber dann im Falle einer versuchten Erwiderung den Beleidigten zur Ordnung rufe. Er bittet daher um Beachtung der Geschäftsordnung.

 

Sodann lässt der Vorsitzende über vorstehenden Beschlussvorschlag abstimmen.

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Beschluss:

 

Die bisherigen Kalkulationsgrundsätze werden beibehalten, d. h. in die Gebührenkalkulation 2018 – 2020 werden grundsätzlich die Abschreibungen auf Basis der Anschaffungs- und Herstellungskosten einbezogen, die um einen Betrag von 144.000 €/Jahr erhöht werden. Dadurch wird vermieden, dass die Abschreibungen abzüglich Erträge aus der Auflösung der Zuschüsse kumuliert betrachtet, kleiner werden als die Tilgungsleistungen.

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Abstimmungsergebnis:

 

Zustimmung:  38

Enthaltung:  01

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Anlagen zur Vorlage